Rasanter Anstieg: Preis-Explosion bei Mietwagen
Der Mietwagen gehörte bislang nicht gerade zu den Dingen beim Buchen einer Reise, um die sich nicht viel Gedanken gemacht werden musste. Die Auswahl war an jedem Ort der Welt groß und die Mieten klein.
Das ist nun erstmal vorbei. Die Suchmaschine Billiger-Mietwagen.de gibt Preiserhöhungen weltweit von durchschnittlich 50% zum Vorjahr an. So kostet über ein Rabattportal z.B. ein Familienauto auf Sardinien im Juli 2021 für gerade mal 18 Tage 2.900,-€, was dem vierfachen des Vorjahrespreises bedeutet. Da kann es passieren, dass sich die Kosten für einen Mietwagen auf mehr als Flüge und Ferienwohnung summieren. „Eine solche Entwicklung habe ich in meinen 30 Jahren im Geschäft nicht mal in Ansätzen gesehen“, sagt Kai Sannwald, geschäftsführender Gesellschafter des Vermittlers Sunny Cars aus München.
Die Ursache für die Preisentwicklung ist ein weltweiter Mangel an Mietwagen, denn durch die Coronakrise wurden die Bestände bei den Autovermietern bis zu zwei Dritteln herunter gefahren. Zudem stellen ihnen die Autohersteller derzeit weniger Wagen zur Verfügung. Wenn dann die Reisebeschränkungen unerwartet schnell fallen, überschlägt sich die Nachfrage förmlich, günstige Tarifgruppen werden schneller geschlossen und teurere angeboten.
Dabei gibt es keine Grenzen. „Wir werden so hoch gehen, wie es uns der Markt erlaubt“, sagt Erich Sixt, Gründer und Hauptaktionär des gleichnamigen Vermieters. Und das nicht nur in Europa: In den USA nutzen Urlauber bereits kleinere Umzugswagen für die Fahrt in die Ferien. Laut Presseberichten hat an Ostern ein Anbieter auf Hawaii für einen einfachen Wagen den Rekordpreis von 1000 Dollar pro Tag aufgerufen – und bekommen. „Es ist ein perfektes Rezept für ein Desaster“, so ein Kenner der Branche.
Allerdings ist das Preisgefüge in Europa sehr unterschiedlich, in vielen deutschen Städten und Flughafenstationen z.B. gibt es noch Vorjahrespreise. Dagegen zeigt laut Billiger-Mietwagen.de Griechenland ein Plus von 168 Prozent. Teilweise völlig unberechenbar sind die Tarife auf Mallorca. „Wo es auf den Balearen vor Corona noch Kleinwagen für 150 Euro pro Woche gab, liegt deren Rate nun in Spitzenzeiten bei oft weit mehr als 1100 Euro“, sagt Kai Sannwald von Sunny Cars. Selbst bei Marktführer Sixt kostet auf Mallorca im August der Kleinwagen VW Up pro Tag teilweise sogar rund 200 Euro – das Vierfache im Vergleich zu einem Auto ab der Sixt-Station am Flughafen Köln. Für ein BMW-Cabrio kann auch mehr als das Zehnfache fällig werden.
Geschäftskunden aus größeren Firmen haben dieses Problem offenbar nicht: „Einige Unternehmen, die Rahmenverträge mit Mietwagenanbietern besitzen, haben außer einem ‚Corona-Aufschlag‘ für ausgeweitete Hygienemaßnahmen keine Preissteigerungen festgestellt“, heißt es beim Geschäftsreiseverband VDR.
Die Probleme sind jedoch durch das Geschäftsmodell der Autovermieter hausgemacht. Große Abnahmemengen von Neuwagen im Frühjahr vor der Hauptreisesaison sowie Rabatte von bis zu 40 Prozent der Autohersteller waren die Basis. Die Autos überließen die Vermieter dann Urlaubern oder Geschäftsreisenden so lange, bis der Wagen nur noch so viel wert war wie der Kaufpreis. Dann verkauften sie weite Teile der Flotte entweder zurück an Hersteller und Großhändler oder sie vermarkteten sie direkt an Konsumenten. „Damit bekamen die Vermieter die Autos praktisch für lau“, so ein Kenner der Branche. Dazu addierten sich dann Einnahmen aus der Vermietung, den Verkauf der vergleichsweise teuren Versicherungen plus dem Umsatz aus Nebengebühren für zusätzliche Fahrer oder Extras wie Winterausrüstung oder Navigationssysteme – sowie dem Geld aus vom Kunden bezahlten aber selten vollständig reparierten Unfallschäden.
„Richtig profitabel arbeitet derzeit kein Vermieter – und schon gar nicht in Europa“, urteilte eine Studie des US-Marktforscher Skift bereits im Boomjahr 2019, also noch vor der Coronakrise. In der Pandemie brach das Geschäftsmodell endgültig zusammen, denn Anfang 2020 wurden in Erwartung eines Rekordjahres reichlich Autos geordert, die im folgenden Lockdown stehen blieben. Hertz und Europcar rutschten gar in ein Insolvenzverfahren. Somit hielten sich die Vermieter bei den Bestellungen für 2021 deutlich zurück. Denn „auch ihre Geldgeber wollten angesichts der geringeren Bonität meist weniger und wenn dann nur teurere Kredite geben“, so Sunny-Cars-Chef Sannwald.
Aber auch die Autohersteller agierten recht zögerlich. Zum einen verlangten sie für die Autos mehr Geld als früher. „Wegen der erhöhten Risiken haben sie die Zahlungsziele für Neuwagen verschärft“, sagt Frieder Bechtel, der bei Billiger-Mietwagen.de das Management der Vertriebspartner leitet, zum anderen konnten und wollten die Autobauer auch weniger Wagen liefern.
Da wäre der Mangel an Rechenchips für die immer mehr computerisierten Autos, weswegen fast alle Hersteller die Produktion kürzen mussten, dafür verantwortlich. Die Hersteller fokussieren sich aber inzwischen auch auf aus ihrer Sicht lukrativere Absatzwege als die Vermieter wie eigene Leasingangebote oder Autoabos, die wie kürzere Leasingverträge bis zu einem Jahr lang laufen. „Das konkurriert mit dem Verkauf an die Autovermieter“, sagt Billiger-Mietwagen-Manager Bechtel.
Daraus ergeben sich, gepaart aus der doppelten Belastung aus Geldmangel sowie teureren Autos, kleinere Flotten. Hertz verkaufte laut Studie der Ratingagentur Fitch bereits rund 194.000 seiner einst 473.000 Autos und will bis September 2021 um weitere 121.000 die Flotte reduzieren, was eine Verkleinerung auf rund ein Drittel seiner Größe bedeutet. Sixt hatte zuletzt mit gut 93.000 Fahrzeugen fast 38.000 Autos weniger im Angebot als vor einem Jahr.
Da sich anders als andere Produkte Autos schwer von einer Überflussregion in eine Mangelzone verlagern lassen, bleit es wohl noch angespannt. „Es ist bereits fast zu aufwändig ein Auto von einem Teil des Landes in einen anderen zu bringen“, so ein Branchenkenner, „Und aus Skandinavien ans Mittelmeer ist es praktisch unmöglich.“ Aber auch im kommenden Jahr wird das Angebot wohl kaum wachsen. „Weil sich weder die finanzielle Lage der Vermieter noch das Neuwagen-Angebot wesentlich bessern, können nur wenige ihre Flotten entscheidend erweitern. Das das ist den gebeutelten Unternehmen auch nicht ganz unrecht“, gesteht Michael Brabec, Geschäftsführer des Bundesverbands der Autovermieter Deutschlands. „Hohe Mietwagenpreise sind für die Unternehmen derzeit eher Segen als Fluch.“